Demokratie ist gewaltfreier politischer Wandel, weil sie den Menschen die Chance gibt, ihre Regierungen zu wählen und wieder abzuwählen, wenn sie ihnen nicht gefallen." (Adam Przeworski)
Mit dieser minimalen Definition von Demokratie startete Prof. Dr. Karsten Fischer von der LMU in seine Überlegungen zum Thema Demokratie in Gefahr: Faktoren der Krise und Bedingungen der Resilienz. Zum Auftakt der diesjährigen Jahrestagung des Netzwerks Ethik der ELKB zeigte der Münchner Politikwissenschaftler, dass es wenig verheißungsvoll ist, ohne weitere Kriterien die Demokratie als Zweck an sich zu beschwören. Gerade weil Demokratie von verschiedener Seite und eben auch von den Feinden der Demokratie als Prinzip beschworen wird, kommt es darauf an, sie pragmatisch als Mittel zu begreifen und die Zwecke zu definieren, mit denen sie verbunden ist: die Wahrung von Menschenwürde und Freiheit. Fehlerfreundlichkeit und Minderheitenschutz sind aber heute gefährdeter denn je, weil Willkür und Alleinherrschaft oft für effizienter gehalten werden als Austausch von Argumenten und geordnete Verfahren. Für diese Behauptung fehlt freilich jeder empirische Nachweis, wie Fischer mit Untersuchungen zum Umgang mit der Corona-Pandemie wie mit dem Klimawandel belegte. Für das praktische Engagement pro liberaler Demokratie empfahl er, weniger Postulate aufzustellen und das Notwendige zu machen, statt lautstark darüber zu reden. Bei alldem sollte es darum gehen, enttäuschte und skeptische Menschen zu gewinnen und nicht vor den Kopf zu stoßen.
Dass die im Titel der Tagung genannte Resilienz mit Aushalten und Standhalten zu tun hat, zeigte die Bamberger Alttestamentlerin Prof. Dr. Kathrin Gies mit ihrer Auslegung von Psalm 102 unter dem Titel Ps 102 als Ausweg aus der Krise? – Resilienzstrategien in biblischen Klagepsalmen. Nicht die schnelle Überwindung ("wird schon wieder") oder das Abstreiten der Krise als "nicht so schlimm" sei die Pointe der Tradition der Klagepsalmen. Vielmehr stellen diese die individuell erlebte Krise durch den Blick auf Gott und die Gemeinschaft der Glaubenden in einen neuen Zusammenhang. Die Perspektive auf das rettende Handeln Gottes gibt die Kraft, die Krise auszuhalten und zu gestalten. So werden auch die negativen Erfahrungen, Leid und Verletzungen im eigenen individuellen Erleben bei denen, die diese Texte lesen und hören, nicht beiseite gewischt, sondern finden einen Resonanzraum, der seinerseits neue Horizonte öffnet.
Wie schon die beiden Impulsreferate so zeigte auch die anschließende Aussprache im Netzwerk, wie zentral religiöse Vorstellungswelten in diesem Zusammenhängen sind – und wie dringlich deshalb die Dialektik aus konstruktivem Beitrag religiöser Praxis und kritischer Reflexion derselben ist, nicht zuletzt im Religionsunterricht an der Schule. Es war deshalb besonders erfreulich, dass neben Universität und kirchlichen Einrichtungen auch Religionslehrkräfte aus Mittel- und Oberfranken an der Tagung teilnahmen. So wurde die Kooperationsveranstaltung des Netzwerks Ethik und der Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für Öffentliche Theologie an der Universität Bamberg selbst zu einem Beispiel für das notwendige Gespräch im Feld Religion und Politik. Am Nachmittag konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmern dazu dann mit konkreten Beispielen praktischer Demokratiebildung ins Gespräch treten:
