Wie sieht der richtige Mix für eine stabile und nachhaltige Energieversorgung aus? Was sind die Grundvoraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energien? Wie kann man drohenden Versorgungsengpässen begegnen? Damit Energie in Deutschland in Zukunft nachhaltig und zuverlässig zur Verfügung steht, müssen zentrale und dezentrale Elemente im Energiesystem schneller und effektiver ineinandergreifen als bisher. Bei „acatech am Dienstag“ am 11. Oktober wurden am Beispiel der Metropolregion Nürnberg mögliche Konzepte und Konflikte auf kommunaler und regionaler Ebene sowie die Rolle lokaler Akteure diskutiert.
acatech Mitglied Marion Merklein, Werkstoffwissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, begrüßte die Gäste zu acatech am Dienstag, das in Kooperation mit der Evangelischen Stadtakademie Nürnberg und dem Beauftragten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft stattfand. Sie wies in ihrer Begrüßung auf die Vielschichtigkeit des Themas hin. Für sie stehe die Frage im Mittelpunkt, wie die Energieversorgung flächendeckend für alle sichergestellt werden könne. In diesem Zusammenhang gehe es selbstredend nicht nur um die Erzeugung der Energie, sondern auch um ihre Speicherung und Nutzung.
Moderator Thomas Zeilinger, Beauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft, leitete über zum ersten Referenten, Rainer Kleedörfer, Leiter des Zentralbereichs Unternehmensentwicklung / Beteiligungen und Prokurist bei der N-ERGIE AG Nürnberg, der zunächst auf die durch steigende Energiepreise hervorgerufene Unruhe unter den Verbraucherinnen und Verbraucher einging. In seinen Augen seien die Zeiten günstiger Energiepreise erst einmal vorbei und dies beträfe alle Energieträger. Rainer Kleedörfer räumte ein, dass Energiemangellagen in Deutschland wahrscheinlicher geworden seien und dass sich daran voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nichts ändern werde. Als Gründe dafür nannte er das Fehlen einer gesicherten Erzeugungsleistung im System und einen unkoordinierten Netzausbau, der zur Folge habe, dass nicht alle Anlagen Strom ins Netz einspeisen könnten. Das Fatale dabei sei, dass dieser abgeregelte und nicht eingespeiste Strom dennoch vergütet werde und dadurch die Kosten für die Verbraucher zusätzlich in die Höhe treibe. Um Energiemangellagen zu verhindern, brauche es einen zeitnahen Neubau von Gaskraftwerken und einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien. Er plädierte in diesem Zusammenhang für eine konsequente Nutzung aller Dachflächen und versiegelter Flächen, wie Parkplätze etc. und eine zielgerichtete Koordination des Erneuerbaren- und des Stromverteilnetzausbaus. Da Speicher im Energiesystem fehlten, sollten Batteriespeicher bei neuen Photovoltaikanlagen mit einer 10 Megawatt Spitzenleistung verpflichtend sein, so Rainer Kleedörfer. Darüber hinaus müsse die Regulierung für Speicher angepasst werden, da sie hinderlich für die Klimaschutzziele, die Ausbauziele für die erneuerbaren Energien und den Stromnetzverteilausbau sei. Er betonte, dass die Finanzierung für den Stromverteilnetzausbau kurzfristig und nachhaltig verbessert und die Komplexität reduziert werden müsse. Die Märkte dürften dabei nicht isoliert gesehen werden, denn es gebe vielfältige Wechselwirkungen zwischen Strom und Gas. Im Hinblick auf die aktuelle Lage stehe an erster Stelle, die notwendige Versorgungssicherheit über die nächsten Monate herzustellen. Im nächsten Schrittmüsse man gemeinsame Anstrengungen unternehmen, damit die Energiekosten nicht weiter steigen. Die Ökologie stehe in diesem Fall erst an dritter Stelle.
Klaus-Peter Murawski, Vorsitzender der Kreisgruppe Nürnberg des BUND Naturschutz Bayern, sprach anschließend über nötige Priorisierungen im Hinblick auf Industrie- und Energiepolitik, die sich vor dem Hintergrund der aktuellen Situation ergäben. Er kritisierte, dass die Bundesländer in der Vergangenheit den Fehler gemacht hätten, nur an sich zu denken und das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Die Länder hätten sich zu sehr auf die Gaslieferungen aus Russland verlassen und darüber die Power-to-Gas Technologie nicht ernsthaft verfolgt.
Berit Erlach vom Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS), ging abschließend auf das Thema Sektorenkopplung ein. Sie beschrieb, dass der Strombedarf in Zukunft erheblich steigen werde. Grund sei die zunehmende Verwendung von Strom auch im Wärme- und Verkehrssektor sowie in der Industrie. Diese sogenannte Sektorenkopplung umfasst die direkte Elektrifizierung, d.h. den Stromeinsatz in Wärmepumpen und in der Elektromobilität, sowie auch die indirekte Elektrifizierung, bei der mit dem Strom Energieträger wie Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffe hergestellt werden. Um den steigenden Bedarf an Strom zu decken, müssten Windkraft und Photovoltaik massiv ausgebaut werden. Neben der zunehmenden Wichtigkeit von Verteilnetzen dürfe aber der Ausbau von Übertragungsnetzen für den Transport von Windstrom nicht vernachlässigt werden. Berit Erlach riet zu europaweitem Denken und einer starken Vernetzung, um Ausgleichseffekte besser nutzen zu können.