TESCREAL - Der KI-Hype und seine religiösen Implikationen

Computerutopie
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Im Rahmen der KI-Serie "Wahnsinn und Methode" des Feuilletons der SZ erschien zu Beginn des Monats August ein Beitrag von Philipp Bovermann mit dem Titel "Unser Wille geschehe" (Link - nur mit Abo). Der Autor zeichnet darin die (quasi-)religiösen HIntergründe nach, die sich in den Biografien führender Protagonisten des aktuellen KI-Hypes finden. Ein spannender und zugleich erschreckender Artikel. Er zeigt Zusammenhänge, auf die die KI-Ethikerin Timnit Gebru und der Wissenschaftshistoriker Émile Torres kürzlich mit dem Akronym "TESCREAL" hingewiesen haben. Mit den Buchstaben stellen sie eine Linie von ideologischen Überzeugungen zusammen, die sie in den aktuellen KI-Entwicklungen für einflussreich halten: Transhumanismus – Extropianismus – Singularismus – Cosmismus – Rationalismus – Effektiver Altruismus – Longtermismus. (vgl. hier)

Thomas Klatt vom Evangelischen Journalistenbüro in Berlin nahm den Artikel der SZ zum Anlass, für die Reihe "Tag für Tag" des Deutschlandfunks einen Beitrag dazu zu machen. Da er mich dafür um ein Gespräch bat, war das meinerseits Grund, den von Gebru und Torres gelegten Spuren etwas genauer nachzugehen. Steckt dahinter möglicherweise eine Art Verschwörung, wie es die beiden andeuten?

Anstelle einer ausgefeilten Verschwörung entdecke ich hinter den beschriebenen Aussagen eher eine andere "KI" am Werk: nämlich die sog. Kalifornische Ideologie. Sie macht sich seit den späten sechziger Jahren breit und bietet einen Schmelztiegel für unterschiedlichste Zukunftsvisionen. Nachdem die äußere Landnahme im amerikanischen Westen abgeschlossen ist, werden jetzte neue "Frontiers" überschritten: der Eroberungszug im CyberSpace beginnt. Die Bedeutung dieses grenzüberschreitenden Denkens für die technologische Entwicklung ist mit seinen Folgen vielfach beschrieben worden (vgl. z.B. Paul Nemitz/Matthias Pfeffer, Prinzip Mensch. Macht, Freiheit und Demokratie im Zeitalter der KI, Bonn 2020). Mir erscheint dies der gemeinsame Nährboden der unterschiedlichen Spielarten des Transhumanismus: Sie alle sind davon überzeugt, Horizonte des Menschlichen durch Technik beliebig verschieben zu können. Wir müssen nicht gleich eine "TESCREAL"-Verschwörung unterstellen, um die Wirkmächtigkeit dessen in unserer Gegenwart zu erkennen.

Aber wir sollten sehr kritisch fragen, was aus dem "Traum vom freien Raum" geworden ist, der sich mit den Ursprüngen des Internets verbindet. Gelegenheit dazu bietet eine Tagung vom 27.-29. Oktober in der Evangelischen Akademie Tutzing: Hier werden wir den emanzipativen Potentialen des Internets aber auch den gefährlichen Mythen der KI weiter nachspüren.

Alle Informationen und Anmeldemöglichkeit zur Tagung finden Sie hier.